Moskau - nach Regen kommt Sonnenschein
Am ersten Tag in Moskau, nach der Geschichte mit der Visaregistrierung, die wir in unseren letzten Beitrag ausführlich erklärt haben, bleibt uns noch Zeit für ein bisschen Spazieren in der Umgebung. Wir laufen etwa 2km zu Fuß zu einem Supermarkt wo wir uns mit Lebensmittel eindecken, denn morgen soll es ja den ganzen Tag regnen. Dann laufen wir in die andere Richtung und erreichen einen Park und eine sehr belebten Fußgängerzone wo es viele Essensstände und Straßenmusik gibt. In dem Park war gerade ein Konzert und viele Menschen.
Am nächsten Tag regnete es tatsächlich fast den ganzen Tag, mal stärker mal schwächer, aber am Abend, als es fast schon wieder dunkel war, konnten wir schnell zum Supermarkt laufen und kauften wir uns wieder was zum Essen. Für das Abendessen wird richtig "aufgetischt". In Russland gibt es in große Supermärkten fertiges Essen zum Mitnehmen: Bratkartoffeln, gebratene Fleisch, Schnitzel, Reis, Salate, leckeren Kuchen als Desert, was braucht man mehr als Motorradreisender? Der Tag war wirklich ein Chill-Fress-Tag.
Der Regentag im Zelt vergeht schneller als gedacht und schon scheint uns die Sonne beim Öffnen des Reisverschlusses entgegen. Endlich machen wir uns auf den Weg zur U-Bahnhaltestelle, um die Hauptstadt des größten Landes der Welt zu erkunden.
Öffentliche Verkehrsmittel in Russland
Was die Besichtigung der Städte in Russland deutlich erleichtert, ist dass die öffentlichen Verkehrsmittel in Googe Maps eingepflegt sind. Man kann einfach den Ort eingeben, wohin man möchte und dann zeigt die App schon an, wie man zur Haltestelle kommt, welche Linien man nehmen kann, wie lange sie dauern und was die Fahrt kostet. So findet man sich selbst in einer Millionenmetropole wie Moskau relativ gut zurecht. Bei uns zu Hause in Augsburg geht das nicht so leicht. Bis zur U-Bahn haben wir etwa 3km und wir laufen zu Fuß. Auf dem Weg kaufen wir uns frische Piroschki mit Kartoffeln, die sehr lecker und super zum mitnehmen unterwegs sind. Die U-Bahn in Moskau ist weltberühmt und gehört zu den längsten, tiefsten und mit der schönsten Architektur weltweit. In der Kriegszeit wurden die Tunnel und Bahnstationen als Schutzbunker verwendet und in dieser Zeit kamen sogar 150 Kinder darin zur Welt. Wir haben uns gut zurecht gefunden, ein Ticket an einem Automaten gekauft und sind ganz einfach in die gewünschte Richtung gefahren. Außergewöhnlich ist der Lärmpegel beim Fahren, aber ansonsten ist sie nicht schlechter als die U-Bahn in München.
Roter Platz
Das wohl bekannteste Wahrzeichen der Stadt ist der Rote Platz am Kreml (ehemals Schöner Platz - krassiwa heißt schön und krassno heißt rot). Der ist riesig und voller Touristen aus allen Ländern und Schulklassen aus ganz Russland. Wir kannten den Platz bis jetzt nur aus Agentenfilmen und müssen zugeben, dass er in Realität viel fröhlicher und friedlicher aussieht. Übrigens hat fast jede größere russische Stadt einen Kreml, weil so die alten Regierungsgebäude genannt werden. Wir laufen ewig zu Fuß und machen viele Bilder. Alle Gebäude sind in Top Zustand, es gibt auch viele Denkmäler die von Soldaten bewacht werden. Es gibt viel zu sehen und zu entdecken, bestimmt kann man spannende Geschichten erfahren wenn man einen Führer bucht.
Die Kathedrale, die eigentlich nicht Basiliuskathedrale heißt
Am Ende des Roten Platzes findet man außerdem die Basiliuskathedrale mit ihren neun Kuppeln. Die bewacht dort schon über 400 Jahre den Kreml. Aber ihr Aussehen hat sich drastisch verändert: vom schlichten Weiß mit goldenen Zwiebeltürmen zum heute knalligen Rot und bunt gemusterten Türmchen. Eigentlich wollte Stalin die Kirche abreißen lassen, damit die Militärparade ungehindert über den Platz marschieren kann, allerdings weigerte sich der zuständige Architekt den Befehl ausführen zu lassen und kassierte fünf Jahre Gefängnis dafür. Also verdanken wir Touristen heute den Anblick Piotr Baranowsky.
Jetzt aber zum Namen, das ist nämlich eine ganz lustige Geschichte. Der eigentliche Name ist nämlich Mariä-Schutz-und-Fürbitte-Kathedrale am Graben. Ziemlich lang und umständlich, nicht wahr? Da kam es ganz gelegen, dass gerade zum Baubeginn der seelige Basilius starb. Die katholische Kirche konnte ihn gar nicht leiden: Ein Typ, der die Misstände der Kirche anprangert, stiehlt um den Armen zu geben und das auch noch nackt!? Und dann erlaubt sich dieser Wahnsinnige auch noch Iwan den Schrecklichen zu kritisieren, weil er nicht aufmerksam den Predigen lauscht. Jedenfalls wurde er in Russland gerade wegen seiner kritischen Haltung gegenüber Gesellschaft und Kirche verehrt und wir können uns den Typen irgendwie ganz gut vorstellen.
GUM - Trotz und Protz
Klassische Musik, alles blitz-blank, strahlendweißezähne-Lächeln, goldene Türklinken. Falls ihr zu viel Geld habt, oder gerne Luxus sehr, oder einfach Schutz vor Sonne, Regen oder Kälte braucht könnt ihr euch das über 100 Jahre alte Kaufhaus am Roten Platz ansehen. Es war sogar mal das größte in Europa. Wir machen allerdings in Anbetracht der (teilweise nichtmal ausgeschriebenen) astronomischen Preise Kehrt und holen uns lieber ein Eis am Straßenstand.
Moskwa - der Fluss, der wie die Stadt heißt
Der Fluss wird für Transporte, aber auch für touristische Zwecke genutzt. Man kann Bootstouren machen, es gibt schwimmende Restaurants, Fitnessstudios und Cafés. Jetzt im Spätsommer bei Sonnenschein sieht er gemächlich aus und fließt langsam der Wolga entgegen. Im Winter ist es aber manchmal so kalt, dass er zufriert und das Leben um ihn herum still zu stehen scheint. Wir überqueren die Moskwa auf der Krymski Brücke um in den Gorky Park zu kommen.
"I follow the Moskwa - down to Gorky Park..."
Wie der Songtext der Scorpions beschreibt, befindet sich der Park am Ufer des Moskwa-Flusses. Er soll den Besuchern auf seinem 1,2qm großen Areal genug Platz für Kultur und Erholung bieten. Susi liebt Parks und wollte diesen unbedingt sehen. Es gibt ausgestellte Kunstfiguren, ausreichend Schattenplätze, Spazierwege, Sitzgelegenheiten und riesige Liegekissen. Und: saubere, kostenlose Toiletten (in welchen Städten gibt es sonst noch so was?!). Außerdem ist das Alkohol trinken und Rauchen in Parks verboten. Hier verbringen wir viel Zeit und enstpannen in der lauen Herbstsonne. Eigentlich sollte jede Stadt ihren Bewohnern so einen Park bieten.
Long way home
Auf unserem Marsch nach Hause (kein Taxi will uns mitnehmen, weil sie den Campingplatz nicht kennen) beginnen wir über den restlichen Heimweg nachzudenken. Bald schon werden wir wieder in die EU einreisen. Bald müssen wir wieder arbeiten. Das geht viel zu schnell vorbei. Es ist schon dunkel, als wir unser Zelt erreichen. Die Idee, nächstes Jahr nochmal zu starten gedeiht noch ein bisschen mehr in unseren Köpfen.
Nächstes Ziel: St. Petersburg
Und das ist weit - und zwar sehr weit nördlich. Über 700km trennen uns von der nördlichsten Stadt Russlands, die wir je bereist sind.
Es ist früh morgens, wir lassen den Kaffee gerade auskühlen, packen das Zelt und das restliche Zeug zusammen und beschließen heute die Hälfte der Strecke zu bewältigen. Die ganze Strecke wäre auch möglich gewesen aber sowas machen wir seit lange nicht mehr. Die Zeiten sind vorbei. Wir müssen lernen entspannter zu reisen und auch so einen Fahrtag genießen. Die Strecke ist nicht sonderlich anspruchsvoll dennoch wenn man links und rechts aufmerksam schaut dann sieht man dass die Landschaft sich massiv geändert hat. Wir fahren nach Nordwesten, es ist deutlich grüner und es gibt deutlich mehr Wasser. Die kleinen Dörfer sehen ganz anders aus als die im Süden Russlands. Viele Holzhäuser. manche schön erhalten aber auch viele verlassen. Wir nehmen teilweise die Autobahn aber die ist nicht durchgehend fertig und kostet Geld. Ungefähr in der Mitte finden wir eine gute Gastinitza und übernachten dort. Am nächsten Tag fahren wir frühzeitig los und erreichen die Stadt Sankt Petersburg früh am Nachmittag, genauso wie wir es uns vorgenommen haben.
Sankt Petersburg
Glück muss man haben: Auf Anhieb finden wir ohne Stau und Stress ein schönes Hotel in guter Lage mit bewachtem Parkplatz im Hof. Mit der Straßenbahn geht es ins Zentrum. Übrigens gibt es in den öffenlichen Verkehrsmitteln immer eine Dame, die die Tickets verkauft, deshalb seht ihr keine Automaten an den Haltestellen. Sie waren immer netter als man vermutet und wir haben denen gesagt wo wir hinwollen und sie haben sich das gemerkt und uns dann gesagt, wo wir aussteigen müssen. Der ÖPNV ist sehr günstig und wird vom Großteil der Bevölkerung genutzt. Oft verkehren auch Trolley-Busse (also Oberleitungsbusse), die es noch aus Sowjetzeiten gibt. Die waren damals wohl schon weit voraus mit elektrifizierten Transportmitteln.
Im Zentrum angekommen, fühlen wir uns eigentlich schon wie in Europa. Das liegt daran, dass viele Europäische Architekten die Stadt mitgestaltet haben.
Eremitage
Das erkennt man auch stark am Aussehen und dem Namen der Eremitage. Es ist eins der bedeutendsten Kunstmuseen weltweit. Im Grunde wurde es von Katharina der Großen gegründet, die im 18. Jahrhundert Gemälde aus Deutschland, dass damals nach dem siebenjährigen Krieg knapp bei Kasse war, kaufte. Ihre Kunstsammlung wuchs schneller als die Gebäude, so dass sie diese nach und nach von damals "trendigen" Architekten bauen ließ. Eine ziemlich exzentrische, kunstliebende Frau.
Moschee
Die meisten Menschen in Russland sind orthodox, außer in Regionen, wie Tschetschenien, Dagestan oder Kalmückien, wo auch mal der Islam oder Budhismus die Mehrheit stellt. In anderen Regionen haben wir eigentlich nie Moscheen oder Tempel gesehen - hier in St. Petersburg schon. Diese hier war sogar mal die größte in Europa außerhalb des osmanischen Reichs. Uns erinnert der Anblick durch die vielen Türkis-Töne an die beeindruckende Architektur entlang der Seidenstraße, vor allem in Usbekistan. Davon sind wir inzwischen ziemlich weit entfernt.
Die Klappbrücken
Die Neva und ihre Nebenarme bestimmen das Stadtbild. Das Zentrum liegt verteilt auf vier Inseln und insgesamt gibt es an die 800 Brücken in St. Petersburg. Es mutet fast wie Venedig an. Über die Wasserstraßen führen die bekannteren Brücken, von denen viele immer noch Klappbrücken sind. Zar Peters Stadtbau-Idee für die nach seinem Namenspatron benannte Planstadt war eine Schiff-Stadt, die also überwiegend durch Schiffsverkehr erschlossen wird. Brücken waren in seinen Augen nur ein Behelfsmittel für den unvermeidbaren Landverkehr.
Die erste Brücke, noch eine hölzerne Klappbrücke, wird 1705 erwähnt. Die jüngste Brücke wurde im Januar 2012 eröffnet. Acht Brücken über die Newa sowie fünf Brücken über die Kleine Newa und die Große Newka werden von April bis Oktober jede Nacht für mehrere Stunden für den Schiffsverkehr geöffnet und damit für den Straßenverkehr geschlossen. In den übrigen Monaten erledigt Eisgang die Frage, ob der Schiffs- oder Landverkehr den Vorrang hat. Wir haben gehofft dass wir zufällig ein Schiff passieren sehen und dass die Brücke sich öffnet, aber dafür müssten wir eine Nacht in Sankt Peterburg durch machen.
Das Militärmuseum
Zufällig laufen wir am Gelände eines Militärmuseums vorbei und sind neugierig. Es ist das Militärgeschichtliches Museum der Artillerie, des Ingenieurwesens und der Nachrichtentechnik. Es befindet sich im Kronwerk der Peter und Paul Festung. Man darf das Gelände sogar kostenlos betreten und würden da nicht so riesige Panzer und Kriegsgerät stehen, sähe es wie ein Spielplatz aus. Familien mit Kindern, die auf die Panzer hochklettern, glückliche Gesichter, Lachen und viele Fotos. Ich habe viele Bilder gemacht. Ich finde es einfach faszinierend was die Menschen für Krieg und Zerstörung in der Lage sind zu realisieren aber für sinnvollere Dinge wie Müllentsorgung, Kanalisation, Trinkwasser, Krankenhäusern, das Geld fehlt oder es einfach keine Lösung gibt.
Die Basilika
Die Auferstehungskirche sieht für uns fast aus, wie eine Kopie der Basilius-Kathedrale in Moskau (steht natürlich nirgens so). Der wohl größte Unterschied liegt darin, dass diese nie als Kirche konzipiert wurde. Dort fanden nie Gottesdienste statt. Stattdessen wurde sie als Denkmal, Konzerthalle, Museum oder Theater genutzt.
Die fliegenden Schiffe
sind eigentlich Tragflügelbote die bis zu 150 Passagiere bis zu 65km/h schnell transportieren kann. Wir haben zum ersten mal so Schnellboote gesehen und wären gerne mal damit gefahren aber dafür müssen wir noch ein mal kommen. Sie fahren regelmäßig auf bestimmte Wasserrouten durch die Stadt ähnlich wie in Venedig.
Extrem viel los
Man merkt, dass die Stadt viel näher an Europa ist. So viele Touristen tummeln sich auf den vollen Straßen, man hört so viel Englisch, so viel Straßenmusik, es wirkt eben wie eine europäische Großstadt.
Europäischer Einfluss
Und warum sieht die Stadt insgesamt so europäisch aus? Sie wurde von Peter dem Großen (dieser Beiname war wohl besonders beliebt zu der Zeit) im 18. Jahrhundert gegründet und der war eindeutig Fan von westlicher, europäischer Kultur und Architektur. Deshalb stellte er auch hauptsächlich europäische Architekten und Handwerker ein.
Das lässt uns noch mehr an unsere baldige Ausreise denken. Der nächste Grenzübertritt führt in die EU, also quasi schon fast nach Hause. Wir lauschen der schönen Straßenmusik, merken, wie frisch die Luft hier schon abends ist, und blicken fast wehmütig dem baldigen Ende unserer persönlichen Traumreise entgegen. Werden wir es heil und munter nach Hause schaffen? Wie wird es sich anfühlen wieder das Ortsschild von Augsburg zu sehen, auf unsere Straße zu fahren und nach sechs Monaten Auszeit erstmals wieder in den Alltag zu finden?
Ab zur Grenze
Wir verlassen St. Petersburg früh am Morgen ohne Stau und fahren so nah wie möglich, an die Grenze. In einem kleinen Ort übernachten wir bei einer Gastinitza und bereiten uns auf den letzten Grenzübergang dieser Reise vor: Pässe, Versicherung, Zollpapiere, alles wird gecheckt und griffbereit vorbereitet. Am nächsten Vormittag geht es endlich Richtung Grenze los. Es gibt einige Militär Checkpoints, die Straßen sind fast leer, die Landschaft flach und viel Wald. Eine Pause machen wir noch mitten im Wald für eine kleine Stärkung, hoffentlich frisst uns kein Bär. Bald stehen wir dann auch schon an der Grenze und sind überrascht wie einfach die Ausreise im Vergleich zur Einreise funktioniert. Ein einziges Auto reist mit uns gleichzeitig aus. Papiere abgeben, Pass wird gestempelt, etwas warten und schon geht es weiter. An der EU Grenze müssen wir witzigerweise die Benzinmenge die wir einführen angeben, sonst alles easy. Dann ist es so weit: wir stehen auf EU-Boden.
Im nächsten Beitrag steht die letzte Etappe unserer Heimreise durch die EU an. Wir fahren durch Lettland, Litauen, Polen und Tschechien zurück nach Hause.
Vielen Dank fürs Vorbeischauen und Machts gut.
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